Bionorica, eine deutsche Pharmafirma für Naturheilmittel, betreibt über die Medien, mit eigenen Ärztefortbildungen und über Beraterverträge Lobbyarbeit gegen unverarbeitete Hanfblüten zur medizinischen Anwendung. Die Firma macht gute Geschäfte mit Dronabinol, dem isolierten Hanfwirkstoff THC.

Mit Produkten wie Bronchipret® und Sinupret® ist Bionorica vielen Deutschen bekannt. Die Firma beschreibt sich auf ihrer Homepage unter anderem mit folgenden Worten:

Bionorica ist einer der führenden Hersteller pflanzlicher Arzneimittel weltweit. Unser Anspruch: Die Medizin jeden Tag ein bisschen pflanzlicher machen.

Die Firma ist seit vielen Jahren auch in Sachen medizinisches Cannabis aktiv. Sie setzt dabei aber nicht auf Hanfblüten, sondern auf Dronabinol, in dem ausschließlich der Hanfwirkstoff THC enthalten ist. Bionorica lässt in diesem Zusammenhang auch Hanf in Österreich anbauen. 2014 hat Bionorica die Firma THC-Pharm übernommen und seitdem eine marktbeherrschende Stellung in Deutschland für das Medikament Dronabinol.

THC-Tropfen vs. naturbelassene Blüten

Unverarbeitete Hanfblüten, die seit der Einführung des neuen Cannabis-Medizin-Gesetzes in großen Mengen eingeführt werden, sind also eine Konkurrenz für die Firma. Bionorica hatte die strategische Entscheidung getroffen, sich nicht am Geschäft mit den Blüten zu beteiligen, sondern auf Dronabinol und andere Zubereitungen zu setzen. Die Firma profitiert massiv von den neuen Regelungen. Laut Handelsblatt konnte Bionorica „die Zahl der Dronabinol-Patienten von 4000 auf 11.000 fast verdreifachen“.

Dronabinol ist für viele Patienten auch durchaus hilfreich. Und es ist in Tropfenform für viele Patienten leicht und wie gewohnt handhabbar. Allerdings ist Dronabinol teurer als die unverarbeiteten Blüten, bezogen auf deren THC-Anteil. Und vielen Patienten ist mit reinem THC nicht geholfen! Auch einige andere Cannabinoide der Hanfblüten haben medizinische Wirkungen, das bekannteste davon ist Cannabidiol (CBD). Auch die Terpene (Geruchstoffe) der Blüten beeinflussen die medizinische Wirkung. Die vielen verschiedenen Sorten Hanfblüten mit unterschiedlicher Wirkstoffzusammensetzung tragen erheblich zur großen Bandbreite der medizinischen Anwendungsmöglichkeiten bei. Patienten und Ärzte bestätigen uns immer wieder, dass Dronabinol oft nicht so gut hilft wie Hanfblüten.

Dennoch macht Bionorica Stimmung in den Medien gegen Hanfblüten:

Firmenchef Professor Dr. Michael Popp hält an seiner Meinung fest, Blüten werde man nicht anbieten. Dass an Krebs erkrankte Patienten mit einem Rollstuhl vor das Krankenhaus gefahren werden, um einen Joint zu rauchen, kann und will er sich nicht vorstellen. Eine größere Gefahr sieht er jedoch in der Pharmakokinetik: Blüten seien keine Alternative zu Dronabinol. Sie seien schlecht dosierbar und hätten ein hohes Missbrauchspotential. Zudem gebe es Gesundheitsgefahren beim Rauchen oder Inhalieren.

Pharmaprodukte drohen Blüten zu verdrängen

Was vielen nicht bekannt ist: Weniger als die Hälfte des medizinischen Cannabis, das in Deutschland verschrieben wird, bezieht sich auf Hanfblüten. Der größere Teil entfällt auf Fertigarzneimittel – und Dronabinol, mit dem Bionorica bereits gute Geschäfte macht. Doch die Firma will ihren Marktanteil offensichtlich weiter ausbauen, zulasten der Blüten. Bionorica veranstaltet Fortbildungen für Ärzte zu medizinischem Cannabis, bei denen Stimmung gegen Hanfblüten gemacht wird:

„Wissenschaftlich gesehen ist der Einsatz von Cannabisblüten eine Steinzeit-Therapie“, meinte Dr. Christian Ude aus Darmstadt auf dem Bionorica etchics-Workshop „Cannabis in der Apotheke“. „Oder würden Sie eine Digoxin-Verordnung lieber durch einen Fingerhut-Tee austauschen?“ Aus seiner Sicht ist die Verschreibung von Cannabisblüten ein medizinischer Rückschritt.

Außerdem sagte Franjo Grotenhermen, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) auf der International Cannabis Business Conference (ICBC) im April 2018, Bionorica mache reihenweise „Beraterverträge“ mit Ärzten, die sich mit medizinischem Cannabis beschäftigen und beeinflusse so Multiplikatoren, wiederum mit dem Ziel, die Ärzteschaft entsprechend der Firmenstrategie einzuschwören. Grotenhermen selbst habe dieses wie auch andere Angebote abgelehnt.

Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, dass ein Unternehmen für sein Produkt wirbt. Doch wenn Bionorica mit dieser Strategie Blüten vom Markt verdrängt, hat das massive Auswirkungen für Patienten, Ärzte und Krankenkassen: Patienten, die auf das volle Cannabinoidspektrum angewiesen sind, stehen beim Einsatz einer Monosubstanz wie Dronabinol ohne eine passende Medikamentation da. Ärzte, die ihren Patienten Blüten verschreiben möchten, fühlen sich durch das aggressive Vorgehen von Bionorica möglicherweise dazu gedrängt, auf den Einsatz von Blüten zu verzichten. Und die Krankenkassen haben, anders als vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) behauptet, beim Einsatz von Dronabinol höhere Kosten zu tragen als bei der Verordnung von Blüten. Alles in allem also eine Verschlechterung für alles Beteiligten!

Die Probleme, die Bionorica den Blüten andichtet, beruhen primär auf Geschäftsinteressen und weniger auf der Sorge um die optimale Versorgung der Patienten. Inhalation der Blüten-Wirkstoffe per Verdampfer stellt kein Gesundheitsproblem dar, die Dosierung der Blüten ist nach einer Eingewöhnungsphase, die auch bei anderen Cannabis-Medikamenten notwendig ist, unproblematisch.

Zukünftig werden vermutlich auch Cannabis-Vollextrakte mit allen Wirkstoffen der Hanfblüten die entsprechende Vielfalt bieten. So weit sind die Anbieter aber noch lange nicht und wegen der einfachen Inhalation werden die Blüten auch dann für Viele die Medizin der Wahl bleiben.

Vielen Patienten helfen die Blüten am besten. Sie profitieren zur Zeit von der Vielfalt an Hanfsorten, die in den Apotheken verfügbar sind. Die PR-Aktivitäten von Bionorica könnten für sie zum Problem werden.


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